Die Geschichte des Waldseer Jungelferrat

Gegründet wurde der Jungelferrat kurz nach dem 2. Weltkrieg, in einer Zeit, die für uns heutige Jungelfer nicht mehr vorstellbar ist. Waldsee hatte gerade mal 6.000 Einwohner, die „Franzosen“ waren als Besatzungsmacht in der Stadt und Essen gab es nur auf Lebensmittelkarten.

Doch auch in dieser kärglichen Zeit war der närrische Funke in Waldsee nie ganz erloschen und schon bald wurde wieder Fasnet gefeiert, organisiert von einem „Elferrat“. Bei vielen Veranstaltungen halfen die Söhne der Elferräte mit. Eben diese Söhne waren es dann auch, die etwas Eigenes haben wollten und so den Jungelferrat in der Fastenzeit 1947 gründeten. Da die Elfer nichts von dem Vorschlag ihrer Söhne hielten, existierte der Jungelferrat über vier Jahre im Untergrund und die Sitzungen wurden als private Feste getarnt.

Im Jahr 1952 wurde der Waldseer Jungelferrat dann offiziell als Bestandteil der Waldseer Narrenzunft anerkannt. Insbesondere die Protokollauszüge aus den Jungelfer-Sitzungen der ersten Jahrzehnte geben heute noch wertvolle Einblicke über die ersten Jahre des Jungelferrates. Diese Erinnerungsstücke lassen viele Jungelfer noch heute schmunzeln. Um zum einen die aufstrebende Maskenfasnet zu unterstützen und zum anderen den jungen, nicht vermögenden Jungelfern eine Möglichkeit zu geben, die Maskenfasnet auszuprobieren wurden die ersten Masken angeschafft. Aus der anfänglichen Skepsis wurde mit den Jahren Anerkennung, so dass die Jungelfer als Beiräte seit 1967 in den Ausschüssen der Narrenzunft vertreten sind.

Im Jahr 1973 stellte der Jungelferrat das erste Mal den Narrensamenführer und die komplette Prinzengruppe. Obwohl beide eigenständige Teile der Waldseer Fasnet sind, bleiben sie bis heute eng mit dem Jungelferrat verknüpft. Die „große Eselsgruppe“ war bereits bei den ersten Masken 1936 dabei. Aus verschiedenen Gründen war sie allerdings einige Zeit nicht mehr in der Fasnet gesehen worden. Hier schritt der Jungelferrat ein. Er erhielt die Eselsgruppe als kostenlose Leihgabe von der Zunft, mit der Auflage, dass der Esel und seine Treiber von nun an in jeder Fasnet mit dabei sein sollten. Schon bald musste ein neues Häs angeschafft werden. Der Stoff dazu kam von der Firma Steiff, da nur diese Qualität den hohen Anforderungen des Esels gewachsen war. Somit dürfte der Esel eines der wenigen „Steiff-Tiere“ ohne den typischen goldenen Knopf im Ohr sein.

Die unbestritten größte Neuerung im Jungelferrat war die Wiederaufnahme des Narrenbaumstellens. Am Gumpigen Donnschtig 1977 war dann das Narrenbaumstellen nach 25-jähriger Pause das erste Mal wieder zu sehen. Zusammen mit den Baumscheiben wurde im Jahr darauf der „Zimmermannsmeister“ mit den gereimten Anekdoten eingeführt, um das ganze etwas lebendiger zu gestalten. Das Narrenbaumstellen verdanken wir, wie vieles in der Geschichte des Jungelferrates, der Neugier auf alte Traditionen und dem Mut, Neues auszuprobieren. Diese Geisteshaltung führte dann auch dazu, dass der Jungelferrat 1979 die kleine Eselsgruppe wiedereinführte. Die kleine Eselsgruppe wurde erstmals 1939 Bestandteil der Fasnet. In den 70er Jahren wusste jedoch keiner der Jungelfer mehr von dieser Gruppe. Sie musste also schon längere Zeit nicht mehr gesprungen worden sein. Eine nicht weniger bedeutsame Änderung für den Jungelferrat war die Absegnung einer neuen Jungelferordnung 1979. Unter dem damaligen Oberelfer Franz Mosch wurde festgelegt, dass die Mitglieder mit dem 30. Lebensjahr endet. Diese Klausel gewährleistet, dass sich der Jungelferrat immer wieder erneuern muss und so für junge Männer attraktiv bleibt.

In der Fasnet 1980 kam die wiederbelebte Hennengruppe erstmal zum Einsatz. Auch die Hennengruppe entstand aus der Recherche in alten Unterlagen und aus dem Wunsch heraus, nicht nur an altes Brauchtum zu erinnern, sondern es wieder mit neuem Leben zu füllen.

Heute kann man die Bewirtung am Altstadt- und Seenachtsfest als das wichtigste Ereignis für den Jungelferrat außerhalb der Fasnet bezeichnen. Nachdem der Jungelferrat seit Mitte der Siebziger zweimal im Jahr beim Grasbahnrennen einen Stand bewirtschaftet hatten, wurde im Sommer 1984 das erste Mal beim Straßenfest gewirtet. Nach einigen Startschwierigkeiten lief das Ganze so gut, dass beschlossen wurde, den inzwischen unrentabel gewordenen Stand beim Grasbahnrennen aufzugeben und nur noch am Altstadt- und Seenachtsfest zu wirten.

Traditionell verteilen die Jungelfer am 11.11. das Martinsbrot am Federlesbrunnen auf der Hochstatt. Ab 1993 kam der Fasnetslader hinzu, der die Zuschauer um 11:11 Uhr mit dem Klingeln des Narrenweckers zum anschließenden Umzug in den Grünen Baum einlädt.

Ab dem Jahr 2001 wurden, zum ersten Mal seit langem, die traditionellen Giggerleskappen von den Laternenträgern getragen, welche seither das Bild beim Narrenrechtabholen vervollständigen. Eine weitere Neuerung bietet das Maibaumstellen. Seit dem Jahr 2001 wird dem Jungelferrat seitens der Stadt Bad Waldsee die Aufgabe, den städtischen Maibaum auf der Hochstatt zu stellen, übertragen. Dank der jahrelangen Erfahrung durch den Narrenbaum schaffen es die Jungelfer Jahr ein Jahr aus als Zimmermann und Geometer den Baum sicher durch die Stadt zu leiten und schlussendlich in die Höhe zu hieven. Im folgenden Jahr schafften es die Jungelfer am Gumpigen Donnerstag nicht nur morgens als Zimmerleute den Narrenbaum zu stellen, sondern auch noch eine närrische Gruppe am Umzug zu bilden. Nachdem der Waldseer Jungelferrat bereits seit 1973 den Narrensamenführer stellte, entstand mit den Prinzessinnen die jüngste und womöglich kussfreudigste Gruppierung des Jungelferrates.

Mitte des Jahres 2004 stand der Jungelferrat wieder vor einer wichtigen Entscheidung. Begonnen hat alles damit, dass der Platz für das Straßenfest vor dem Grünen Baum für uns leider nicht mehr zur Verfügung stand. Mit großem Zeitdruck musste ein neuer passender Platz gesucht werden. Damals entschied sich die Jungelferrunde schlussendlich für den Hirschhof, was sich, nach dem heutigen Stand, als beste Entscheidung überhaupt herausstellte und seit Jahren der Anlaufpunkt beim jährlichen Stadtfest ist. Im selbigen Jahr musste eine neue Prinzessinnengruppe gefunden werden, nachdem die bisherige fast vollständig in die neu organisierte Prinzengruppe wechselte, war notwendig nach neuen Schönheiten für das betreuen des Narrensamens Ausschau zu halten. Und so wurde in einem Casting die besten „weiblichsten“ unter den Jungelfern heraus gesiebt und in einem feierlichen Akt in rosa Seide gehüllt.

Seit 2006 wird, mit dem ersten gemeinsamen Treffen in Aulendorf, jährlich die Freundschaft mit dem dortigen Jungzunftrat gefeiert. Das vielleicht größte Fest in der Geschichte des Jungelferrates wurde im Jahre 2013, zum 66-Jährigen Bestehen, abgehalten. In einem zweitägigen Festakt wurde auf die jahrzehntelange Geschichte sowie die glorreiche Tradition zurückgeblickt und das gemeinsame Zusammensein – vom Gründungsmitglied bis hin zum Anwärter – gefeiert. Im Jahr 2017 bildete sich erneut aus dem Jungelferrat ein Großteil der neuen Prinzengruppe –  insbesondere um die drei „Großkopfeten“ herum – heraus. Wie dargestellt, blickt der Waldseer Jungelferrat auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurück. Diese zu würdigen und im Sinne der Gründerväter das Feuer für die Waldseer Fasnet über die Generationen hinweg weiterzutragen bleibt die wichtigste Aufgabe für die Mitglieder des Jungelferrates.

Chronik der bisherigen Oberelfer

1947 – 1948: Josef Schellhorn

1948 – 1948: Helmut Jetter

1948 – 1953: Fritz Wieland

1953 – 1953: Walter Schranz

1953 – 1954: Walter Steiner

1954 – 1955: Rolf Schiele

1955 – 1959: Erwin Göckel

1959 – 1960: Edgar Neff

1960 – 1965: Roland Abele

1965 – 1969: Karlheinz Egle

1969 – 1971: Jochen Lock

1971 – 1976: Hans Funk

1976 – 1978: Otto Steinle

1978 – 1984: Franz Mosch

1984 – 1990: Hanne Frick

1990 – 1990: Jochen Hoffmann

1990 – 1995: Walter Schranz

1995 – 2000: Christian Gerstung

2000 – 2002: Sven Hillebrecht

2002 – 2006: Tobias Klöckler

2006 – 2010: Manuel Huber

2010 – 2014: Marco Ludescher

2014 – 2018: Timo Ludescher

2018 – 2024: Marc Schroedter

seit 2024: Tobias Neubrand